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Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer ... ihr seid die Reben (Joh 15, 1–8)

 


Das Gleichnis vom Weinstock und den Reben, welches am heutigen Sonntag als Evangelium gelesen wird, hat für mich eine besondere Bedeutung. Es war auch das Evangelium am Tag meiner Erstprofess in meiner ersten Gemeinschaft vor 5 Jahren und auch am Tag meiner Professerneuerung vor drei Jahren. Zu diesem Thema habe ich damals auch meine Professkerze gestaltet: Weinstock, Reben und der Spruch: "Ich habe DICH erwählt, damit DU Frucht bringst".

Dieser Evangeliumstext lässt sich auf vielerlei Weise deuten. In dieser Woche haben wir als Gemeinschaft an einem Online-Seminar zum Thema geistigen Missbrauch in Ordensgemeinschaften teilgenommen. Einige Gedanken von dort, lassen sich gut mit diesem Gleichnis in Beziehung setzen. 

Wichtig scheint mir zu betonen, dass Gott Vater der Winzer ist. Allein Er hat damit das Recht zu entscheiden, welcher Rebzweig aus dem Weinstock, welche schlechten Triebe an uns entfernt werden müssen. Auch entscheidet Er darüber, wen von uns er ggf. an einen anderen Ort verpflanz, da an diesem neuen Ort die Umgebung für diesen einen Menschen nahreicher ist und für ihn eher dazu dienlich ist, ihn in seiner Gottesbeziehung immer mehr wachsen zu lassen. 

Wir Menschen sind alle Reben und damit einander gleichgestellt, trotz unserer Unterschiedlichkeit. Unsere von Gott verliehene Würde ist gleich und er liebt uns alle. Sobald eine Rebe sich anmaßt besser zu sein als die anderen und diese herabsetzt, oder gar selbst Winzer zu sein und an den Rebzweigen herumzuschneiden beginnt, übt sie Gewalt über die anderen aus. Sie schadet den Reben und im schlimmsten Fall reißt sie gar eine Rebe gänzlich aus dem Weinstock heraus. Diese kann dann nicht mehr wachsen und wird im Laufe der Zeit eingehen. Sie behält Gottes Liebe und in seinen Augen ihre Würde, aber kann diese selbst nicht mehr wahrnehmen.

Ich denke, dass es wichtig ist uns immer wieder klar zu machen, dass ein jeder von uns in der Lage ist über andere Macht auszuüben und anderen Gewalt anzutun. Um so sensibler wir alle in diesem Bereich werden, und umso mehr ein jeder von uns in seiner je eigenen Gottesbeziehung, in der Liebe zu Gott, den Mitmenschen und sich selbst wächst, desto weniger werden wir in der Lage sein jemanden anderen zu verletzen. 

Also mühen wir uns darum, immer mehr in der Liebe zu wachsen, unseren Glauben einladend (Achtung: nicht überstülpend!) und authentisch zu leben und Frucht zu bringen, aber überlassen wir das Urteilen dem wahren Winzer: Gott.

Ich wünsche allen Leser*innen noch einen schönen 5. Sonntag in der Osterzeit und einen schönen Mai!

Sr. Franziska





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